Interview
Die Reisebuchautorin und Journalistin Veronika Wengert hat gemeinsam mit Jörg Dauscher ein neues Buch rund um Reisen mit dem Nachtzug geschrieben. Das ist für uns natürlich Anlass genug ein Interview mit ihr zu führen.
Hallo Veronika, als Autorin eines Buchs über Nachtzugreisen bist du sozusagen die perfekte Interviewpartnerin für unsere Webseite. Erzähl uns doch etwas über dich: Wer bist du, woher kommst du und wie bist Du auf die Idee für dein Buch gekommen?
Hallo Tim! Als Reisejournalistin und Übersetzerin für slawische Sprachen lebe ich seit ein paar Jahren in Augsburg. Die Idee zum Buch kam natürlich im Zug. Ehrlich gesagt am Tag und in der Regionalbahn, aber immerhin.
Worum genau geht es in deinem Buch? Was können die Leserinnen und Leser erwarten?
Unser Buch gibt einen Überblick über europäische Nachtzuglinien, Einblicke in den Betrieb und die Logistik, Hintergrundwissen und praktische Hinweise, was man an den jeweiligen Abfahrts- und Zielorten unternehmen kann, auch wenn man nur wenig Zeit hat. Im Grunde genommen geht es jedoch um Inspiration, selbst einmal diese klimaneutrale, sehr charmante Reiseart auszuprobieren und natürlich die Destinationen zu entdecken.
Ein eigenes Buch zu schreiben ist für viele ein Traum: Wie funktioniert das? Wie lange dauert es von der ersten Idee bis zum fertig gedruckten Exemplar?
Man muss Wörter möglichst in der richtigen Reihenfolge verwenden… Spaß! Also, ein Buch zu konzipieren, zu schrieben und zu redigieren ist ein ziemlicher Brocken an Arbeit, den viele unterschätzen. Ich bin ja vom Fach, habe neben slawischen Sprachen auch Journalistik studiert und schon das eine oder andere Reisebuch verfasst und weiß deshalb, wie sich das gestaltet. Je nach Projekt kann das unterschiedlich lange dauern. Im Falle unserer „Nachtzugreisen“ ist die Idee schon älter, -wir fahren ja auch schon sehr lange mit dem Nachtzug -, dann fand sich ein Verlag und das Konzept wurde ausformuliert. Die heiße Phase des Niederschreibens dauerte dann „nur“ noch vier Monate. Dann folgte der ganze Rest: Lektorat, Bildauswahl, Bildunterschriften, Überschriften, Korrekturen oder das Kürzen von Texten.
Tipps für die Reise im Nachtzug gibt Veronika in ihrem Buch.
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Um über die „schönsten Strecken Europas“ zu schreiben muss man diese vermutlich ja auch selbst erlebt haben. Wie viele Reisen hast du in letzter Zeit mit dem Nachtzug unternommen?
Tja, du wirst es nicht glauben, aber ich bin am Wochenende gerade von einer fast zweiwöchigen Bus- und Zugreise zurückgekehrt und habe in Zagreb – auf dem allerletzten Streckenabschnitt und der Heimreise – kein Nachtzugticket nach München mehr bekommen! Also keinen Platz im Schlaf- oder Liegewagen, denn alles war komplett ausgebucht! Da musste ich auf den Bus ausweichen – und das passiert mir! Ansonsten kann ich dir wirklich keine Zahl nennen, ich weiß es nämlich selbst nicht: Der Zug ist mein liebstes Verkehrsmittel und über Nacht reise ich immer, wenn es möglich ist. Aber ich musste ja auch nicht alle Strecken unseres Buches kennen, denn die Hälfte davon hat mein lieber Kollege Jörg Dauscher übernommen, mit dem ich das Buch ja zusammengeschrieben habe. Und der lebte ein paar Jahre lang im Nachtzug nach Paris…
Was war dein schönstes Reiseziel? Woran erinnerst Du dich gerne zurück?
Ich liebe eigentlich Nachtzugreisen generell, fast egal, wo es hingeht. Aber wenn du es genau wissen willst: Auf jeden Fall Ljubljana, Zagreb und Rijeka – das ist derselbe Nachtzug, der abends in München startet, mit Kurswagen.
Dieser Nachtzug ist mittlerweile fast zu einer Art „Hauszug“ geworden ist. Es ist ganz wunderbar, morgens mit Blick aufs Meer die letzten Kilometer nach Rijeka zu rollen, das geht im bequemen Schlafwagen aber nur im Sommer. In Ljubljana mag ich die Nähe zur Altstadt mit ihrer grandiosen Burg, aber leider kommt der Nachtzug da schon morgens um sechs Uhr an, also für meinen Geschmack einen Tick zu früh. Zum Glück kann man im Hauptbahnhof von Ljubljana auf Bahnsteig 1 draußen Kaffee trinken und dabei den Nachtzug beim Rangieren beobachten, zum Wachwerden. In Rijeka, aber auch in Zagreb, empfinde ich die Ankunftszeit gegen neun, halb zehn morgens, als angenehmer. Da hat man nämlich noch genügend Zeit, die Landschaft aus dem Abteilfenster an sich vorbeiziehen zu lassen und kann die Fahrt länger genießen.
Auch in diesen beiden Städten ist man sofort mittendrin. Überhaupt macht das den Reiz von Nachtzugreisen aus: Keine lange Anreise vom Flughafen, sondern die Ankunft in der Innenstadt – das ist meist der Fall.
Nutzt du den Nachtzug mit anderen Augen, also sozusagen beruflich?
Nein. Im Nachtzug sind alle gleich. Außer die in der höchsten Komfortkategorie, die sind gleicher. Der einzige Unterschied zwischen mir und den anderen Passagieren ist, dass ich quasi andauernd Notizen mache, auch über die Strecke oder Sehenswürdigkeiten, und sogar nachts ein Notizheft neben meinem Schlafplatz habe.
Und zum Schluss noch eine Frage: Viele Reisende berichten davon, dass im Nachtzug eine besondere Atmosphäre herrscht. Wie erlebst Du die Stimmung in Nachtzügen?
Es ist immer ein kleines Abenteuer. Und es herrscht diese Mischung aus Vorsicht und Neugierde: Wer sind die anderen, was machen diese, wie verhalten sie sich, woher kommen sie oder wo wollen sie hin?
Etwa eine Lady neulich im Nachtzug, die bei der Einreise von Serbien nach Montenegro eine größere Menge an Bargeld zu verzollen hatte. Der Zug musste lange auf sie warten, bis sie alle Dokumente beim Zollamt ausgefüllt hatte und wieder einsteigen durfte – und hatte dadurch noch mehr Verspätung. Gerne hätte ich ihre Geschichte erfahren, also woher sie kommt und wohin sie mit dem ganzen Bargeld fährt. Sie ist aber gleich in ihr Schlafwagenabteil verschwunden, und wir sind nicht ins Gespräch gekommen – im Gegensatz zu einigen anderen Reisenden, die auf dem Gang herumstanden und die Landschaft genossen haben. Der Gang ist übrigens ein prima Platz, um die unterschiedlichsten Lebens- und Reisegeschichten aufzuschnappen!
Vielen Dank für deine Zeit und viel Erfolg mit dem Buch!
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